Denkmal für Yehuda Amichai in Würzburg

Denkmal für Yehuda Amichai enthüllt

Yehuda Amichai wurde vor 100 Jahren am 3. Mai 1924 in Würzburg als Ludwig Jehuda Pfeuffer in eine eingesessene jüdische Familie hineingeboren. Er verstarb am 22. September 2000 in Jerusalem. Nun wurde zu Ehren des großen israelischen Dichters am 30. Oktober 2024 im Würzburger Ringpark an der Ecke Jehuda Amichai-Straße / Friedrich Ebert Ring feierlich ein Denkmal enthüllt. Es sprachen unser katholischer Vorsitzender, Pfarrer Burkhard Hose, Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt und Dr. Josef Schuster, 1. Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Würzburg und Unterfranken und Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.

Das Denkmal besteht aus einer 2,88 Meter hohen Natursteinplatte aus fränkischem Muschelkalk und einer Stele aus Cortenstahl. Darauf sind Gedichtzeilen zu lesen sowie die Signatur und das Porträt des Dichters im Schattenriss zu sehen. Als Vorlage für den Schattenriss diente ein Foto der Würzburger Fotografin Petra Winkelhardt aus den 1990er Jahren. Über einen QR-Code am Denkmal können Sie sich über Leben und Werk Amichais informieren.

Das Denkmal konnte durch große und kleine Spenden von über 70 Privatpersonen realisiert werden. DerKünstler Michael Ehlers, Reichenberg, stiftete den Entwurf und begleitete die technische Umsetzung des Denkmals. Die Stadt fand den passenden Platz und übernahm die Fundamentierungskosten. Vielen Dank Ihnen allen!

Der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Würzburg und Unterfranken war es eine Verpflichtung, eine Ehre und eine Freude zusammen mit der Leonhard Frank-Gesellschaft, dem Würzburger Leseprojekt Würzburg liest ein Buch! und der Stadt Würzburg ein Festjahr zu Ehren Yehuda Amichais 100. Geburtstag zu gestalten. Mit der Enthüllung seines Denkmals ist dieses denkwürdige Festjahr zu Ende gegangen.

Denkmal Yehuda Amichai Ringpark Würzburg

Fotos: Dieter Fauth

Rede zur Enthüllung des Amichai-Denkmals

30. Oktober 2024 – von Burkhard Hose

Im Mai 1998 interviewte Corinna Benning Yehuda Amichai für den Bayerischen Rundfunk Zwei Jahre vor seinem Tod. Auf die Frage, was ihm Ehrungen und Preise bedeuteten, sagte Amichai:

„Ich mache mir nicht sehr viel aus Ehrungen und Preisen. (…) Ich lebe sehr privat, ich lebe nicht in der Welt der Kunst und der Literatur. Ich freue mich sehr darüber, aber ich mache mir nicht sehr viel daraus. (…) Ich lebe absolut normal. Ich sehe auch nicht so aus wie ein Dichter im allgemeinen aussieht. Von Dichtern denkt man immer, dass sie lange Haare oder Zöpfe oder Ohrringe oder was weiß ich alles tragen müßten und dass sie viel trinken oder viele Drogen zu sich nehmen oder sich schlecht benehmen müßten. (…) Ich bin kein Dichter, ich bin ein Mensch, der Gedichte schreibt.“

Lieber Herr Dr. Schuster, Herr Oberbürgermeister, Michael Ehlers, liebe Anwesende!

Ich freue mich, dass ich Sie heute im Namen der Initiator*innen des Yehuda-Amichai-Denkmals begrüßen darf. Es sind dies an erster Stelle der Ideengeber und Künstler Michael Ehlers, Würzburg liest e.V., die Leonhard-Frank Gesellschaft e.V. und die Gesellschaft für christlich jüdische Zusammenarbeit in Würzburg und Unterfranken e.V..

Es ist ein ziemlich ambitioniertes Unterfangen, ein Denkmal für einen Menschen zu realisieren, der sich bekanntlich aus Ehrungen nicht allzuviel machte und dem Selbst- oder Fremdinszenierungen als Dichter missfielen. Dies gilt übrigens auch für inszenierte Bescheidenheit. Amichai war in disem Sinne tatsächlich kein Dichter, sondern ein Mensch, der Gedichte schreibt. Er lebte immer absolut normal, war ein Frühaufsteher, der Marmelade kochte, bevor die Familie erwachte oder mit dem Korb Obst und Gemüse auf dem Markt kaufte.

Kann es gelingen, für einen solchen Menschen ein Denkmal zu errichten? Ich glaube ja, unter zwei Voraussetzungen.

Die erste Voraussetzung ist, dass es ein Denkmal ist, dass nicht sozusagen „von oben“ initiiert wird, sondern von ganz normalen Menschen, die Amichais Gedichte lesen und denen diese Gedichte in ihren Alltagen helfen, zu überleben und dabei auch noch mitmenschlich zu bleiben. Dieses Denkmal ist ein im besten Sinne bürgerschaftliches Projekt. In ungeheurer Geschwindigkeit, gerade einmal vier Monate liegen zwischen dem ersten Gespräch und dem heutigen Tag, haben sich Menschen zusammengetan, die sagten: Wir wollen dieses Denkmal. In ungeheurer Geschwindigkeit haben Menschen in Würzburg Geld gespendet und damit den wesentlichen Beitrag zur Realisierung des Projekts beigesteuert. Es ist ein Denkmal der Menschen in Würzburg für den Menschen, der vor hundert Jahren hier geboren wurde, mit seiner Familie dem menschenverachtenden nationalsozialistischen Deutschland entkam und in Israel zu einem Menschen wurde, der Gedichte schrieb, die in mehr als 40 Sprachen übersetzt wurden. Danke allen, die durch ihre Spende dazu beigetragen haben! Danke aber auch allen, die durch ihre Beharrlichkeit dazu beigetragen haben. An dieser Stelle mag ich Dir, lieber Daniel Osthoff, sagen, wie sehr ich Deine freundliche Beharrlichkeit schätze, nicht nur bei der Umsetzung dieses Denkmals, sondern im gesamten Amichai-Jahr, angefangen von den Festwoche rund um den 100. Geburtstag und der gemeinsamen Herausgeberschaft der Festschrift bis hin zu der zuverlässigen Art, in der Du Kontakt zur Familie Amichai hältst, zu Hana, Emanuella und David. Danke der Stadt Würzburg, dass sie ermöglicht hat, dass diese Idee aus der Mitte der Bevölkerung realisiert werden konnte. Ich mag neben Ihnen, lieber Herr Schuchardt stellvertretend für viele Beteiligte in der Stadtverwaltung und den Betrieben Herrn Heuberger vom Kulturamt und Herrn Wiegand von der Stadtplanung danken, aber auch allen, die für die Stadtnatur und damit auch für den kostbaren Ringpark Sorge tragen.

Die zweite Voraussetzung für ein Denkmal im Sinne Amichais: Das Denkmal selbst musste so aussehen, dass es nicht zu einem Podest für einen verstorbenen Dichter würde, sondern zu einem Ort, an dem sich Gedichte Yehuda Amichais mit dem Alltag der Menschen in der Gegenwart verbinden. Michael Ehlers ist es zu verdanken, dass dieser Ort entstanden ist. Yehuda Amichai ist zu sehen. Ein Stapel Bücher, einige seiner bekanntesten Titel. An einem Platz, an dem viele Menschen, vor allem junge Menschen, unterwegs sind – zwischen Mensa und Stadt, um kurz im Ringpark zu verschaufen oder ungeduldig an der Ampel wartend. Unser Wunsch ist, dass Menschen dieses Denkmal in ihren Alltag einbinden ohne davor in Ehrfurcht zu erstarren. Im besten Fall macht es Lust, Amichais Gedichte zu lesen.

Denn wir brauchen seine Gedichte weiterhin – nicht zuerst für feierliche Gedenkstunden, sondern für unseren Alltag. Wir brauchen sie in unserer Gegenwart, die von Krieg und Terror geprägt ist. Wir brauchen sie in unserer Stadt, in der sich Menschen um ein friedliches Zusammenleben bemühen und gleichzeitig Menschen in Sorge leben, weil sie Krieg oder Terror entkommen sind oder weil sie zur jüdischen Gemeinschaft gehören, die nicht erst seit dem 7. Oktober 2023 von Gewalt und Hass eingeholt wird.

Wir haben uns dafür entschieden, den Anfang eines der prominentesten Gedichte, die Yehuda Amichai verfasst hat, auf die Stele zu setzen – als Anstoß zum Nachdenken, mitten in einer Zeit, in der sich Menschen auch in unserer Gesellschaft entzweien, sich gegenseitig Positionen an den Kopf werfen. Wir haben uns dafür entschieden, damit nicht nur Yehuda Amichai ein Denkmal zu setzen, sondern auch der Mitmenschlichkeit, die sich durch alle seine Gedichte hindurchzieht und die unsere Zeit und die Menschen mehr denn je brauchen. Deshalb mag ich mit dem Gedicht schließen, dessen erste Zeilen auf dem Denkmal zu lesen sind. Es ist zugleich eines der prominentesten Gedichte Amichais: „Der Ort, an dem wir recht haben“.

Der Ort, an dem wir recht haben

An dem Ort, an dem wir recht haben,
werden niemals Blumen wachsen
im Frühjahr.
Der Ort, an dem wir recht haben,
ist zertrampelt und hart wie ein Hof.

Zweifel und Liebe aber
lockern die Welt auf
wie ein Maulwurf, wie ein Pflug.

Und ein Flüstern wird hörbar
an dem Ort, wo das Haus stand,
Das zerstört wurde.


Aus dem Gedicht „Der Ort, an dem wir recht haben“, in: Jehuda Amichai, Zeit.Gedichte. Aus dem Hebräischen von Lydia Böhmer und Paulus Böhmer, Frankfurt am Main 1998, 21. „Das Haus, das zerstört wurde“ (hebräisch: ha-bajit ascher nechrav) verweist auf den Tempel in Jerusalem.

Über uns

Platz, auf dem ein Stern zu sehen ist. Das Bild ist blau eingefärbt.

Unser oberstes Ziel ist eine von Vertrauen getragene Zusammenarbeit mit der Jüdischen Gemeinde in Würzburg und Unterfranken.

Es geht uns zunächst nicht um einen „Dialog“ über Themen jüdischer und christlicher Weltanschauung, sondern um die Entdeckung und Wahrnehmung von Möglichkeiten einer praktischen und unaufdring- lichen Teilnahme an den drängenden Aufgaben, welche die Jüdische Gemeinde in Würzburg und Un- terfranken heute zu bewältigen hat. Daher begreifen wir uns auch als Kreis von Freunden und Förderern für das neue jüdische Gemeinde- und Kulturzentrum „Shalom Europa“.

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